saasfee*pavillon, Frankfurt 2022
Soloshow
Heritage 12, 2021, Collage; Family Curtain 3, Installation, Ausstellungsansicht
Heritage 12, 2021, Collage; Family Curtain 3, Installation, Ausstellungsansicht
Family Curtain 3, Detail, 2022, Installation, Vorhangstoff, Vorhangschiene, Leuchtstoffröhren, Holzblende, Metallwinkel, 240 cm x 260 cm 24 cm
Herited 1-3, 2021-22, Collagen; Heritage 12, 2021, Collage, Ausstellungsansicht
Father, 2022, HD Video, Farbe, Ton, 19:20 min; Bedside Table (Father), 2022, Installation, Ausstellungsansicht
Bedside Table (Father), 2022, Installation, Nachtisch aus lackiertem und furniertem Holz, Spiegel, Holzplatte, 61 cm x 90 cm x 42 cm Fotos: Moritz Bernoully
DE
Eingreifen, reduzieren, abstrahieren – Karwath+Todisko arbeitet stets mit dem Raum. Dabei setzt sich die Künstlerin auf inhaltlicher Ebene unter anderem mit privaten Familienverhältnissen auseinander. Sie befasst sich mit Lebensrealitäten sowie zwischenmenschlichen Beziehungen und trifft dabei auf Verhaltensmuster, deren Kausalzusammenhänge erforscht werden wollen. Wo Ursache und Wirkung liegen, ergründet die Künstlerin durch die Dekonstruktion der jeweiligen Strukturen. In diesem Zusammenhang setzt sich Karwath+Todisko besonders mit dem Leben ihrer Eltern auseinander.
So widmete sich die Ausstellung „Heritage” (L187 Offenbach, 2020) der Beziehung zwischen der Künstlerin und ihrer Mutter, wohingegen „Father” (saasfee*pavillon, 2022) besonders in das Kindheitserleben des Vaters während des Zweiten Weltkrieges sowie in die Beziehung zu seinem eigenen Vater eintaucht.
Im ersten Schritt vollzieht Karwath+Todisko eine räumliche Rekonstruktion, indem sie Möbel des Elternhauses in den Ausstellungsraum platziert. Alltagsgegenstände, die zu Berührungsreliquien werden und das Private in den öffentlichen Raum versetzen. Im zweiten Schritt eröffnet die titelgebende Videoarbeit „Father” einen Einblick in die Gedankenwelt ihres Vaters, der sich seit seiner frühesten Kindheit für Eisenbahnen begeistert. Aus dieser Faszination heraus begann er ein fotografisches Trainspotting-Archiv zu führen, das in Auszügen als Diashow in der Videoarbeit zu sehen ist. Gleichzeitig werden Passagen aus einem gemeinsamen Gespräch als Voice-Over eingespielt, worin der Vater vor allem über seine Kindheit, den Krieg sowie die Beziehung zu seinem Vater spricht. Subtil tritt dabei die Widersprüchlichkeit seiner Erinnerungen zutage. Fotografien und Erinnerungsgegenstände fungieren in diesem Zusammenhang als wichtige Stützen zur Rekonstruktion von Erlebtem. Entgegen dem Impuls zu beschönigen und zu verschleiern, legt Karwath+Todisko bewusst offen, dass ihr Großvater Mitglied der NSDAP war. Damit wirkt sie sowohl der Scham als auch dem Stigma entgegen, das bei solch einer Veröffentlichung befürchtet werden könnte. Vor allem geht es aber darum, das subjektive Erleben und die individuelle Erinnerungskultur im Bezug auf den Nationalsozialismus und die Kriegsjahre zu erörtern und gegen ein Vergessen anzukommen.
EN
Intervention, reduction, abstraction – for Karwath+Todisko, spatial parameters determine the work. In terms of subject matter, the artist is also concerned with personal relationships within her family. She deals with the actualities of life as well as interpersonal relationships and in doing so encounters patterns of behaviour whose causal connections want to be explored. By deconstructing the respective structures, the artist explores their cause and effect. In this context, Karwath+Todisko deals specifically with the lives of her parents.
The exhibition “Heritage“ (L187 Offenbach, 2020), for example, was dedicated to the relationship between the artist and her mother, whereas “Father“ (saasfee*pavillon, 2022) delves particularly into the childhood experience of her father during the Second World War as well as into the relationship with his father.
In the first step, Karwath+Todisko performs a spatial reconstruction by placing furniture from her parental home into the exhibition space. Everyday objects that become contact relics and shift what is private into the public sphere. In the second step, the titular video piece “Father“ allows an insight into the mind of her father, who has been fascinated by trains since his earliest childhood. From this fascination, he began to keep a photographic trainspotting archive, excerpts of which are presented as a slide show in the video. At the same time, segments of a conversation between the two are played as a voice-over, in which the father speaks primarily about his childhood, the war and the relationship to his own father. In the process the ambiguity of his memories is subtly revealed. Photographs and mementos function as important aids in the reconstruction of his experiences. Contrary to the impulse to sugarcoat and conceal her family‘s history, Karwath+Todisko consciously discloses that her grandfather was a member of the NSDAP (National Socialist German Workers’ Party). In doing so, she acts against both the shame and the stigma that might be feared from such a public revelation. Above all, however, her goal is to address subjective experiences and the individual forms of remembrance in relation to National Socialism and the war years, and to fight against forgetting.
Text: Lucy Nixon & Vivien Kämpf
Das Projekt Father wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Karwath+Todisko wird durch das Hessische Atelierprogramm gefördert.